Trossau - unsere Heimat

Liebe auf den ersten Ton.

Über Josef Totzauer von Allen Ranken

Eine Erinnerung an einen berühmten Trossauer der in Amerika als Musiker sein Glück gefunden hat.

Der folgende Artikel wurde von Allen Ranken 1989 in der National Geografic veröffentlich und erzählt die Geschichte von einem Musiker und seiner Geige.

In dem Bayerischen Dorf von Tölz während des 18. Jahrhunderts lebte ein bekannter Instrumentenbauer mit dem Namen Johannes Lais. Er war ein großer Zauberer, der Holzstücke in unbezahlbare Instrumente verwandeln konnte, die der Welt unzählige schöne Melodien und Freude gegeben haben.


Eines Tages im Jahre 1739 brachte ein alter Holzschnitzer Herrn Jais einen kurzen, dicken Ahornklotz zur Bearbeitung. "Johannes", sagte er, dieses Stück Holz ist zu hart für meine Arbeit. Vielleicht kannst Du es zum Bau deiner Violine verwenden. Für Meister Jais war es eine große und kaum zu bewältigende Aufgabe als diesen Holzklotz sah. Aber seine ungewöhnliche Farbe inspiriert ihn und forderte ihn zu einem Meisterstück heraus. Aus dem Kern des Holzblocks, der tieforange Schlieren hatte extrahiert er Tage später den Boden für eine Violine. Mit seinen Schnitzwerkzeugen und Messern bearbeitete er mühsam die Teile der Geige. Es waren die härtesten und dünsten Teile die er je für eine Violine je gemacht hatte.


Als Jais das Instrument fertiggestellt hatte und dem Instrument die ersten Töne entlockte, rief er aus. "Diese kleine Violine aus dem Herzen des Ahron Blocks der so hart wie Eisen war." hat beim Schnitzen" einen zauberhaften und einzigartigen Klang bekommen.“ Die Künstler, die die Seele dieses Instruments wecken können werden, glücklich berauscht vom Klang dieser Violine sein.“ So Jais, der Schöpfer des Meisterstücks.

So erzählte man die Legende über die Meistergeige.
Nach circa 175 Jahre im Jahr 1914 war es mein Glück, das dieses ungewöhnliche Werk und die herausragende Schöpfung des Tölzer Geigenbauers mein Leben bereicherte.
Als 18 Jahre alter Konzertmeister des Opernhauses in Königsberg, Ostpreußen brauchte ich eine feine Violine für meine Solo-Auftritte. Aus den Angeboten an Geigen von einem Händler nahm ich eine etwas Kleinere als der Rest der angebotenen Violinen, weil mir die glühende Farbe der Geige besonders gefiel. Die verblichene Inschrift im Klangkörper der Violine zeigte: "Johannes Jais, Toelz, Lauten- und Geigenbauer 1739." Nach dem ich das Instrument erworben hatte begann ich Beethovens Werk Romantica in F-Dur zu spielen.


Es war Liebe auf buchstäblich den ersten Ton. Was für ein Klang, prickelnd, klar wie Kristall und einzigartig. „Ach meine kleine Schönheit“ rief ich als ich sie zum ersten Mal hörte „ Wir werden das Beste erklingen lassen, was wir nur können.“ Ich kaufte Sie sofort und nannte sie meine Jaisie. Für ein paar Monate und eine kurze Zeit hat sie bei meinen Konzerten gefunkelt und die Zuhörer verzaubert. Dann unterbrach der erste Weltkrieg unsere künstlerischen Auf-tritte. Vier Jahre lag meine Jaisie, wohlbehütet zu Hause in meinem Geburtsort Trossau in der Nähe von Karlsbad, dem berühmten Kurort in Österreich.


Nach dem Krieg beeilte ich mich, damit ich Jaisie wieder zum Leben erwecken konnte um sie aus ihrer Stille zu befreien. Die Lichter der glitzernden Musikpaläste in Europa leuchteten für uns Beide. Ihre Resonanz und meine Vielseitigkeit erzeugten Beifallstürme. Ich liebte sie wie man eine besondere Freundin liebt. Sie gab mir Alles, was mir andere Geigen mir nicht geben konnte.


Eines Nachts, nach einem Konzert rannte ich die dunkle Stiege zu meinem Zimmer hinauf. Ich stürze auf der Marmorstiege, als ich den Zimmerschlüssel suchte. Ich ließ meine geliebte Jaisie fallen. Sie krachte die Marmor-stiege hinunter. Vor Schock war ich gelähmt und starr vor Angst blickte ich die Stiege hinunter.


Ich suchte nach dem Lichtschalter. Der Timmer war ausgeschaltet. Mit zittrigen Fingern versuchte ich ein Streichholz anzuzünden …. ein anderes…. und noch ein Weiteres. Im Schein der Streichholzflamme, sah ich die Umrisse der Geige unten an der Treppe. Ich fühlte das von der meiner Geige nur noch Überreste übrig waren.


Ich konnte nicht glauben was ich sah. Meine Jaisie hat den Sturz über die lange Treppe überlebt. Trotz der harten Kanten der Marmorstiege hatte sie nur einen geringen Schaden erlitten. Meine zarte Violine hat den Sturz auf Ihren weichen Seiten überlebt und war darauf sanft nach unten geglitten. Nur die zwei wunderbaren Eisen an der oberen Ecke waren beschädigt. Es war keine große Reparatur notwendig. Nur die kleinen Schrammen mussten farblich ausgebessert werden.


Ihr Ton war nach dem Sturz schön und rein wie eh und je. Wie sie bei meinem Auftritt in dem berühmten Mendelsohn-Violinkonzert bewiesen hat. Ein überschwänglicher Applaus und ein hundertfaches Bravo war die Reaktion des Publikums. Das Publikum war von der Violine mehr noch als von mir angetan. Die Presse meinte: „ Josef Totzauer entlockte mit seinem Bogen seiner Geige einen glasklaren Klang voller Glanz. Der herrliche Klang wird uns noch lange in Erinnerung bleiben.“ Johannes Jais´s verzauberte Geige war eine große Hilfe, als ich mit meinem Meisterstudium am Konservatorium in Leipzig anfing.

Während des Studiums an einem Morgen musste ich mich mit meinem Fahrrad, wie jeden Tag durch den Auto-und Lkw Verkehr der pulsierenden Stadt zwingen. Und so geschah es. Ich rutschte mit meinem Fahrrad aus, und schleuderte meinen Geigenkasten auf die Straße. Meine Jaisie rutsche über das nasse Kopfsteinpflaster. Sie wurde von einem Lkw erfasst und wie ich glaubte über-rollt. Mein Herz hörte auf zu schlagen. Ich schauderte und fühlte mich vom Blitz er-schlagen. Die Katastrophe war da.


Ich sah Jaisie auf den Bauch liegend genau so wie ich sie bei ihrem Sturz über die Treppe am Ende der Treppe liegend sah. Wenn der Lkw sie erfasst hatte so wie ich es glaubte, so musste er ihr nur ein sanftes Flüstern angetan haben. Ich schickte ein Gebet zum Himmel und beeilte mich mit der Geige so schnell es nur ging nach Hause zu kommen, um nachzusehen was ihr passiert war.


Unglaublich, ihr Ton war fast der gleiche wie zuvor, aber ich musste feststellen es hatte sich was geändert. Ich begann zu fühlen, dass sie ihren Glanz und Klang verloren hatte. Das Klangbild war ein Anderes als es zu vor war. Wochenlang versuchte ich der Geige denselben Klang zu entlocken, aber ich war mit ihr und mit mir unzufrieden. War ich es, der abgestumpft war? Ich konnte mir das nicht vorstellen? Ich hatte Angst um Jais´s seltenes Geschenk, dessen Klang ich für selbstverständlich gehalten habe.


Mir wurde zur gleichen Zeit eine wunderschöne dunkle Violine aus Frankreich schmackhaft gemacht. Sie hatte eine mächtige Stimme und einen üppigen Klang.
Monate habe ich mit meinem Gewissen gekämpft. Ich wollte Jaisie nicht verlieren, wurde aber von Vuillaume verführt. Ein Zwiespalt in mir tat sich auf. Ich entschied mich für die französische Schönheit. Das war der größte Fehler meines Lebens. Der voluminöse Klang der Vuillaume wurde kleiner je mehr ich mit meiner neuen Geige gespielt hatte.
Ich war enttäuscht. Und konnte nicht verstehen warum ich meine geliebte Jaisie verkauft hatte. So schnell ich konnte reiste ich zurück nach Leipzig und suchte den Händler auf, dem ich meine geliebte Geige verkauft hatte. "Tut mir leid," sagte er, "ein Herr aus der Tschechoslowakei hatte die Jais Geige letzte Woche gekauft . Er hat die Geige bar bezahlt und war ohne den Namen und die Anschrift zu hinterlassen, abgereist."


Ich verfluchte meinen Wankelmut und meine Untreue.
Nach dem Zerfall Österreichs und der Gründung der Tschechoslowakei, lehnte ich den Militärdienst in der Tschechoslowakei aus persönlichen Gründen ab. Aus diesem Grund floh ich nach Amerika. Ich hatte keine Zeit und keine Möglichkeit mehr nach Jaisie zu suchen. Ich musste meinen guten Ruf und meinen Namen zurücklassen und wählte als 26 jähriger die Anonymität, in einem voll-kommen fremden Land. Ich musste durch das riesige neue Land mit der Bahn reisen. So landete ich auch in La-werence der Stadt der Schlachthöfe in Nebrasca. Dort empfing mich mein Großonkel Josef Kleibert, der schon 60 Jahre zuvor ausgewandert war. Seine Entscheidung das er von Trossau ausgewandert war, war gut. Er kümmerte sich um mich und verschaffte mir einige Konzertauftritte. Diese Konzerte absolvierte ich mit Vuillaume meiner neuen ungeliebten Geige. Doch mein Herz sehnte noch immer nach der verlorenen Jaisie.


Die Jahre vergingen. Mit 33 heiratete ich und zog nach New Jersey nahe New York City, damit ich die musikalischen Möglichkeiten dieser großen Stadt nützen konnte. Amerika war großherzig zu uns. Meine Karriere blühte auf. Die Konzerte und meine Musikpädagogik brachten für mich Anerkennung und Ansehen. Schließlich konnte ich mir meine neue Geige Guarnerius leisten. Für mich als Künstler erfüllte sie alle Ansprüche, die ich an diese neue Geige stellte. So unterdrückte sie die quälende Erinnerung an die Geige meiner Jugend.


Ich war 56. Als mir ein Musiker aus Nebraska, den ich völlig vergessen hatte, schrieb, das ich ihm einen Gefallen tun sollte. Er erinnerte mich daran dass er mir vor 25 Jahre gesagt hatte, dass er in Europa jemanden kannte von dem er eine Meistergeige gekauft hatte. Ein Händler hatte dieses Instrument gefunden und ihm zum Kauf angeboten. Der kränkelnde Musiker konnte die Geige aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr spielen. Er wollte einen Käufer finden der das Instrument auch richtig wertschätzen konnte. Ich zögerte den kranken Musiker zu besuchen. Damals war ich mit Arbeit so eingedeckt, dass ich kaum Zeit für den Besuch in Nebraska hatte. Aber wie konnte ich seine Bitte ablehnen? Irgendwann sagte ich zu und ließ mir die Geige schicken.


Am Tag als ich die Holzkiste mit der Geige aus Nebraska bei mir eintraf, saß ich an der Planung der Konzertdaten für meine Studenten. Als ich die Geige auszupacken begann und die Verpackung entfernte, stockte mir der Atem. Ich erkannte die beiden beschädigten Ecken an der Geige. Als ich die Geige umdrehte, sah ich sofort die magischen Farben des Geigenkörpers. Ich konnte alles andere kaum mehr erkennen weil mir die Tränen den Blick trübten. Es war die Geige von Johannes Jais. Die Violine die der Musiker vor Jahren mit nach Nebraska gebracht hatte war meine geliebte Jaisie! Sie hatte ihren Weg zurück zu mir, über die Meere und Kontinente nach mehr als 30 Jahren gefunden.

Ich fühlte mich wie der Prinz, der Dornröschen wach geküsst hat. „Wie habe ich dich vermisst! „ schrei ich. Ich drückte sie an meine Brust. Mein Herz begann wie wild zu schlagen und ich schwor Jaisie, das wir uns niemals mehr trennen werden. Ich streichelte sie und begann zu spielen.


Das war vor 36 Jahren. I bin jetzt 92 Jahre alt. Meinen Bogen schüttelt sich manchmal ein wenig. Meine mächtige Guarnerius Geige, der Publikumsliebling ist lange verschwunden – verkauft. Aber meine Jaisie und ich leben zusammen in meinem Zimmer in Greenvill Nebraska. Dort wohne ich bei meiner Tochter.

Jeden Tag zeigt sie mir ihren zauberhaften Klang, wenn ich sie spiele. Jaisie hat mich nie enttäuscht. Sie ignoriert meine schlechten Noten und mein schlechtes Spielen. Erhebt aber ihren Klang, wenn ich mit ihr bessere Passagen spiele. Abgesehen von den beschädigten Ecken hat Jaisie kleine Dellen und Kratzer. Aber ihr Klang ist schöner und weicher als je zu vor.“ Du hast mein Leben verzaubert.“ sagte ich zur Ihr. Sie spendet mir immer Trost, wenn es mal nicht so gut geht.


Josef Totzauer spielte weiterhin täglich mit seiner geliebten Geige, bis zu seinem plötzlichen Tod am 5. Juli 1989


Die Geschichte wurde aus dem Englischen von Erwin Füßl im September 2012 nach der Vorlage übertragen. Der Artikel wurde von Frau Ingrid Breitfelder über zwanzig Jahre zu Hause in New Jersy auf bewahrt und mir zur Verfügung gestellt.